Rasierbecher

Rasierbecher

Rasierbecher

Mann trägt wieder Bart?

Heute ist mal richtig Männerthema angesagt! Wussten Sie eigentlich, dass sich die Männer schon in der Steinzeit rasierten? Also vor vielen, vielen tausend Jahren. Belegen sollen dies Höhlenmalereien. Und das ganze ohne „Mach3“ oder einer Technologie, die „40.000 Schneidebewegungen pro Minute“ leistet. Es lässt sich daraus folgern, dass Rasur und Hautpflege beim Mann schon immer eine wichtige Rolle einnahmen. Sicher variierten dabei die Methoden sehr stark. Schaut man sich die Sache näher an, wie sich ein Mann in der Steinzeit sein Barthaar pflegte, stimmt unsere heutige Werbung nicht mehr ganz, wenn sie von einem Rasiererlebnis spricht. Der Steinzeitmensch hatte sich einen Stein oder eine Muschel passend gemacht. Das ruft nach einem Abenteuer. „10-D-flexibles Schersystem“ 50 Minuten kabellose Rasur, oder „wet&dry“ Rasur? Erlebnis sieht anders aus. Da bekommt der Begriff Hautirritation gleich eine ganz andere Dimension. Aus der Bronzezeit stammt neben den Höhlenmalereien vermutlich der älteste Beweis des Rasierens. Eine alte Rasierklinge, die rund 3500 Jahre ist.

Barttasse Museumsobjekt

Was passierte denn zwischen 20.000 v. Chr. und 2000 nach Chr. hinsichtlich des Rasierens? Die Technik entwickelt sich weiter und die Bartmode verändert sich bis heute stetig. Scharfe Klingenmesser eroberten den Markt und es entstand der Beruf des Barbiers, der heute nur noch selten anzutreffen ist. Vollbart, Backenbart, Kinnbart, Schnurrbart, Ziegenbart, Stoppelbart oder glatt rasiert – das ist die grundsätzliche Frage. Die Rasur bzw. Bartpflege muss jeder Mann täglich auf seine Weise betreiben.


Vor rund einhundert Jahren rasierte sich auf Sylt ein Mann mit Hilfe des wunderschönen Objekts.

Barttasse Museumsobjekt
Barttasse Museumsobjekt

Unwissende jüngere Generationen vermuten darin beim Anblick vielleicht eine Spezialteekanne? Nein, es handelt sich dabei um einen 11 cm hohen Bartbecher – aus Steingut. Verziert mit acht filigran gestalteten floralen Mustern und einem Sylter Motiv. Die überdimensionale Öffnung ist für den schmalen Rasierpinsel gedacht, die obere halbkugelförmige Öffnung mit den drei Löchern bietet Platz für das flache Stück Rasierseife. Nachdem warmes Wasser in den Becher eingegossen wurde, konnte es mit der Rasur losgehen. Die Seife musste mit dem nassen Pinsel aufgeschäumt werden. Zuviel aufgebrachtes Wasser tropfte durch die kleinen Öffnungen ab. Anschließend wurde die aufgeschäumte Seife in das Barthaar eingebracht. Das Rasiermesser erledigte den Rest und entfernte das Barthaar.

Er war nie weg!

Seit einigen Jahren zeichnet sich wieder der Trend zum Bart ab. Laut Statistik tragen über 60 % der Herren in Deutschland Bart. Natürlich hat auch der Bart in der Gesellschaft eine Bedeutung. Götter und Herrscher trugen ihn. Zur Zeit der Napoleonischen Kriege galt der Voll- oder Schnauzbart als Abzeichen altdeutschen Wesens. Der Vollbart war ein Zeichen der puren Männlichkeit, aber auch verbunden mit Religiosität und Bildung. So trugen oft Wissenschaftler und Politiker einen Bart.
Die heutigen jungen Vollbartträger – die sogenannten Hipster – prägen eine eigene Subkultur. Der Hipster bewegt sich irgendwo zwischen Avantgarde, Extravaganz, Szenebewusstsein und Retrowelle – die Hornbrille und das Bonanzarad gehören neben dem Vollbart genauso dazu wie das neueste Apple Produkt und die alternative Limonade.
„Unflath von Speisen und Getränken in den Borsten“

Was hätte aber der Vollbarträger aus dem 19. Jahrhundert gemacht, wenn er seinen Latte Macchiato trinken wollte? Der Milchschaum wäre ihm vermutlich im Bart hängengeblieben. Der Barträger sah sich heftiger Kritik am gesammelten „Unflath von Speisen und Getränken in den Borsten seines Bartes“ ausgesetzt. Um dieses zu verhindern wurde die Barttasse erfunden.

Barttasse Museumsobjekt

Eine Tasse, die bereits im frühen 19. Jahrhundert aufkam und das Problem sehr leicht löste. Ein im inneren Rand der Tasse angebrachter Porzellansteg hielt den Schnauzbart von dem „Unflath“ fern. Bei der abgebildeten Tasse ist folgende Aufschrift aufgebracht: „Deinen schönen Bart zu schützen soll diese Tasse nützen Bis einst Dein Sohn, der Jüngste dann Den seinen damit schützen kann“. So erfreut sich vielleicht der ein oder andere Hipster an der geerbten Barttasse? Leider fehlt in der Sammlung des Sylter Heimatmuseums noch solch eine Tasse, aber vielleicht entdeckt ein Leser diese Tasse in seinem Fundus und schenkt sie uns.

Barttasse
Museumsobjekt

Vielleicht sogar mit dem schönen Westerländer Motiv, der Kurpromenade mit Musikmuschel, das auf dem Rasierbecher vorzufinden ist. Mag sein, dass der Rasierbecher ursprünglich als touristisches Mitbringsel gedacht war. Dieser Becher jedoch blieb für immer auf Sylt und lässt sich im Heimatmuseum näher betrachten.
Und an alle Leserinnen, die bis zum Schluss durchgehalten haben, schauen Sie doch mal bei Ihrem Lieben nach solch einem Becher nach. Wie das Leben so spielt, auch in dieser Sache gibt es die „Schafft die Bärte ab Forderungen“ einiger Frauen! Und wenn eines Morgens der Milchschaum im Barte hängt, weil der Becher verschwunden ist…

Rasierbecher
Inventarnummer: 2011-302
Datierung: um 1910
Material: Steingut
Maße: 10,5×14 cm (hxb)
Technik: gebrannt, gefasst
Hersteller: unbekannt
Standort: Sylter Heimatmuseum

Schulhefte

Schulhefte

Schulheft aus der kleinsten Schule Deutschlands

Kinder im Leuchtturm

„Leider“ sind gerade Sommerferien und so können am morgigen Mittwoch, 8. August die Sylter Schulkinder die einfache Rechenaufgabe „Wieviel macht 2018 weniger 1907?“ im Matheunterricht nicht lösen. Wahrlich keine schwere Rechenaufgabe, aber das Ergebnis ist historisch und eine Schnapszahl zugleich: Am 8.8.18 wird der Hörnumer Leuchtturm nämlich 111 Jahre alt. Seit 1907 steht der Leuchtturm auf der Südspitze der Insel und schickt nach Sonnenuntergang seine langen leuchtenden Strahlen über das Meer. Das Museumsobjekt des Monats August ist ein Konvolut von Schulheften, die in diesem Leuchtturm benutzt wurden. Denn, neben dem Maschinenraum und einem Elektrizitätswerk befand sich im Innern des Turmes auch ein kleines Klassenzimmer – die kleinste Schule Deutschlands. Um 1928 besuchen die Schule drei Kinder.

Einer der Kinder ist der achtjährige Walter Merten. 1920 erblickte Walter in Cuxhaven das Licht der Welt. Mit seinen Eltern siedelte er kurz darauf Hörnum. Das zu dieser Zeit noch äußerst übersichtliche Hörnum bot den Mertens Wohnraum und Arbeitsplatz zugleich. Der Gastwirt Harald Merten unterzeichnete am 6. August 1921 einen Vertrag mit der „Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft“ (HAPAG) die den Seebäderdienst Hamburg-Amerika bzw. nach Hörnum betrieb. Die HAPAG war gleichzeitig auch Verpächterin des Gästehauses in Hörnum, was Gegenstand des Vertrages war und mit dem Leuchtturm das erste Bauwerk Hörnums ist. Diese Herberge bewirtschaftete die Familie Merten in den folgenden Jahrzehnten.

Walter war das eine schulpflichtige Kind, die gleichaltrige Tochter des Leuchtturmwärters, Gretel Hansen, das zweite Kind der Hörnumer Klasse. Der dritte Schüler mit Hans Hindenburg verließ zu Ostern 1930 die Schule, um in einem Hamburger Hotel seine Kochlehre zu beginnen.
Den Ausblick, den Walter und seine Mitschülerin aus den winzigen runden Fensterchen des Leuchtturmklassenzimmers genießen durften war beneidenswert – wobei die bis 2011 betriebene Hörnumer Schule auch später einen exponierten Platz einnahm und der Blick für die vielen Schüler nicht schlechter war.

Walter berichtet 1930 in seinem „Schreibschrift=Heft“ in einem Aufsatz über den Dampfer Odin. Dieser erreichte Hörnum am Nachmittag und die zwei Kinder „haben ihn schon aus der Schule gesehen. Er hatte eine Schute in Schlepptau genommen, mit Busch und Pfählen.“ Das Anlegen des Dampfers beobachtet Walter dann von der Brücke und verfasst mit „Wir gucken beim Anlegen der Schute zu“ einen zweiten kleinen Aufsatz über dieses Ereignis. Dieser Aufsatz wurde vom Lehrer penibel auf die Formbildung der einzelnen Buchstaben sowie Einhaltung der Zeilenräume korrigiert. Das Ereignis muss zu dieser Zeit schon besonders gewesen sein. Es folgt am 29.1.30 das Diktat „Ein Dampfer in Sylt“. „Es ist lange her, daß ein Dampfer bei uns an der Brücke war. Gestern mittag kam Dampfer Odin. Er hatte eine Schute in Schlepptau. Langsam kam er an unsere Brücke …“ Walter machte in dem Diktat einen kleinen Fehler – er vergaß das „s“ bei Bootsmann, was ihm ein „gut“ als Note bescherte. In der Schule wurde sowohl in der Sütterlinschrift als auch in der lateinischen Schreibschrift geschrieben. Die Inhalte aus Rechenkladden, Naturkunde- und Diktatheft lassen erahnen, welche Lehrinhalte und Geschichten den Kindern vermittelt wurden. Es drehte sich oft um inselverwandte Themen, die unter anderem den Prozess der Dünenbepflanzung oder den Besuch „mit der Mutter in der Stadt“ und den damit verbundenen Erlebnissen in Westerland beschrieben. Walters Zeugnisse waren stets mit sehr gut und gut in allen Bereichen gezeichnet.

Am 15.12.1930 druckten zahlreiche Zeitungen im norddeutschen Raum „Ein Weihnachtsbrief aus der kleinsten Schule“ ab.

Die zwei Schüler beschrieben darin kurz ihr „Schulhaus“ und Klassenzimmer und sendeten die Frage: „Wird es bei Euch auch Weihnachten in der Schule?“ ins Land. Weit über zwanzig Zuschriften von Schülern u.a. aus Neumünster, Itzehoe, Blankenmoor bis hin nach Königs Wusterhausen, einem Ort südlich von Berlin erreichten die zwei Leuchtturmschüler.

Die Initiative erfolgte durch das Hilfswerk der Volksschulen für Nordschleswig, die damit für die deutsche Kulturarbeit Spenden sammelten. Hörnum konnte 9,50 Mark einwerben. Gleichzeitig verfasste der Lehrer einen weiteren Brief, den das Hilfswerk und die Sylter Zeitung veröffentlichten. In diesem beschrieb er ausführlich die Schule und die Besonderheit des Inselortes. Zu diesem Zeitpunkt hatte Hörnum bereits acht Häuser. Den Bahnhof, das HAPAG-Haus mit zwei Blockhäusern und neben dem Leuchtturmwärterhaus, das sich die zwei Leuchtturmwärterfamilien teilten, drei weitere Privathäuser. Diese wurden durch den Kurhausverwalter, einen Zollbeamten, einen Brückenwärter und den Lehrer bewohnt.

Walter besuchte bis zu seinem 12. Lebensjahr die Schule und wechselte dann nach Hamburg, um dort 1936 die Erste Klasse der Volksschule zu beenden und eine Lehre als Schmiedemeister zu beginnen. Die Leuchtturmschule wurde 1933 nach 15 Jahren geschlossen, woraufhin die Kinder den sehr beschwerlichen Weg zur Rantumer Schule auf sich nehmen mussten, bis später wieder eine Schule in Hörnum mit 14 Kindern gegründet wurde. Der Leuchtturm diente von da an nur noch als rein technisches Objekt der Seefahrt.

Datierung: um 1930
Material: Papier
Maße: 21×16,3 cm (lxb)
Technik: gebunden
Hersteller: unbekannt
Standort: Sölring Museen/Sylt Museum, Depot

Wachsstockhalter

Wachsstockhalter

Der Lichtstockhalter – äußerst sparsam und durchdacht!

Zu einfach ist es – wird es dunkel, gelingt es uns heute im Handumdrehen über künstliche Lichtquellen wieder für bestmöglichste Lichtverhältnisse zu sorgen. Bis vor rund einhundert Jahren waren die Menschen in der dunklen Jahreszeit vorwiegend auf Kerzenlicht angewiesen. Das Objekt des Monats, der Lichtstockhalter und der dazugehörige Lichtputzer, erwiesen sich dabei als äußerst praktische Helfer.

Auf den aus Messing gearbeiteten Halter wird der aufgerollte Kerzenstrang mithilfe einer Stange fixiert. Im oberen Bereich muss der Dochtstrang in die kunstvoll ausgearbeitete Schere eingespannt werden. Ist die vorgegebene Kerzenlänge abgebrannt, schnappt die Schere zu, so dass das Feuer erlischt und nicht nach unten weiterbrennen kann. Fand man nun Abends bei Kerzenschein den Weg ins Bett und schlief ein, löschte kurz darauf diese Technik fast gefahrlos die Feuerflamme.

Ist der Kerzenstrang komplett verbrannt, wird die obere Schraube, die in Form einer Ente gestaltet ist, gelöst. Erst dann kann die Schere abgenommen werden und ein neuer Wachsstock findet wieder Platz.

Das Herstellen eines Wachsstockes zählte früher zu den schwierigsten Arbeiten von Lichtziehern, so die ursprüngliche Berufsbezeichnung von Kerzenherstellern. Einerseits musste ein von Hand mit verschieden starken Fäden gespannter Docht erzeugt werden. Gleichzeitig war der eigentliche Vorgang des Wachsziehens die große Herausforderung. Bis eine fast endlose und gleichmäßige Wachskerze entstand, musste der Docht in mehreren Durchläufen mit Hilfe zweier Trommeln durch ein Wachsbad sowie ein Zieheisen gezogen werden. Das Zieheisen gewährte die Gleichmäßigkeit der Kerze. Wurde der Raum und das Wachs falsch temperiert oder an der Trommel zu schnell gezogen, konnte es gut sein, dass die Kerze missglückte.

Lichtstockhalter mit Spange und Feststellschrabaube Flatterbinsen, Baumwolldocht und KerzenrußMit dem Import der Baumwolle wurde diese verstärkt neben dem heimischen Flatterbinsen und Leinen als Docht eingesetzt. Allerdings verbrannten die gezwirnten Fäden aus gebleichtem Garn nicht und sorgten schnell für ein trübes Licht und große Rußentwicklung, so dass der dicke Docht laufend mit Putzscheren nach geschnitten werden musste.

Für diese Tätigkeit wurde seit dem 16. Jahrhundert die Lichtputz- bzw. Dochtschere genutzt. In schlichter Scherenform oder detailreich und aufwendig gestaltet, präsentiert sie sich noch heute vereinzelt in Sammlungen. Die zum Objekt des Monats dazugehörige Dochtschere wurde ebenfalls aus Messing hergestellt und ist bis ins kleinste Detail durchdacht. Auf dem unteren Scherenblatt wurde der halbrunde Dochtkasten angelötet – als Pendant am oberen Scherenblatt der hochstehende Verschluss. Der Dochtkasten hat den Vorteil, dass beim „schnäuzen“ das Dochtende aufgefangen wird und nicht auf die Tischdecke herabfällt.

Durch die stetige Weiterentwicklung des verflochtenen Baumwolldochtes erübrigt sich heutzutage dieser Prozess.

Schluss mit der Flirterei!

Dem „Keitumer“ Wachsstockhalter eilt zudem der Ruf als „Verlobungskerze“ voraus. Diese liebenswerte Anekdote erzählt, wie die feinsinnige Technik sich auch in anderen Alltagsbereichen als „nützlich“ erwies. Denn, die Kerzenlänge bestimmte in diesem Falle die Dauer des Rendezvous. Der höfliche Verlobte verabschiedete sich, sobald die Schere zuschnappte.

 
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Keksdose Wiedermann

Keksdose Wiedermann

Ein Stück Sylt für Zuhause

„Dieser großväterliche Betrieb hieß Wiedermanns Wiener Kaffeegarten“. Claretta Cerio (geb. 1927), die Enkelin des Westerländer Kaffeehaus Betreibers Otto Wiedermann, berichtet in der Autobiografie „Mit Bedenken versetzt“ eindrucksvoll aus ihrer Sylter Kindheit und den damit verbundenen Erlebnissen im großväterlichen Kaffeegarten. Der Hotelier und Konditor Wiedermann kam aus Weimar, wo er Besitzer des Thüringer Hofs war. Er heiratete die Westerländerin Klara Wünschmann, die zu diesem Zeitpunkt eine Ausbildung im Hotelbetrieb absolvierte.

Friesenkekse aus Westerland

Ende des 19. Jahrhunderts zog es beide von Thüringen nach Westerland, wo Wiedermann 1896 in der oberen Strandstraße den legendären Wiener Kaffeegarten eröffnete. Das Museumsobjekt ist eng verknüpft mit Wiedermanns Kaffeegarten und Claretta Cerio beziehungsweise ihrem Vater. Das Objekt ist eine Versandkiste von Wiedermann’s Friesen Kekse. Diese Kekse wiederum sind nach Clarettas Aussage nicht auf Otto Wiedermann zurückzuführen, wie es immer zu lesen ist, sondern auf ihren Vater. Wie es dazu kommen konnte, schildert sie in ihren Erinnerungen eindrucksvoll und ausführlich. Ihr Vater kämpfte im Ersten Weltkrieg zunächst in Frankreich und dann in Russland, wo er sich schwere Verletzungen zu zog. Zurück in Westerland musste er der Inselenge wieder entfliehen und entschloss, sich in Berlin zum Kunstmaler ausbilden zu lassen. Als Maler unternahm er Studienreisen und strandete dabei auf Capri, wo er seine zukünftige Frau kennen lernte.

Professionalisierung der Friesenkekse

Die Hochzeit ist das entscheidende Detail, das das junge Ehepaar nach Westerland zwang. Damit er die Hochzeit finanzieren konnte, machte Ernst bei seinem Vater Schulden und verpflichtete sich in diesem Zuge, den elterlichen Betrieb in Westerland für zehn Jahre zu führen. Um den Betrieb aus wirtschaftlich schwierigen Fahrwasser zu bringen, verbesserte er die Vermarktung der Friesenkekse, die sein Vater bereits im Betrieb anbot. Sein Ziel bestand darin, den vielen Sylter Badegästen eine Freude für Zuhause zu bereiten. So konnten sich alle Sylt-Liebhaber auch zu Hause den Genuss verschaffen und die Vorfreude auf den kommenden Urlaub Sylts bereits zu Hause versüßen. Denn Ernst Wiedermann entwickelte das „Versandkaufhaus für Friesen-Keks“. Dazu konstruierte er auch die passende Maschine, die die Kekse im großen Stile fertigen konnte.

Außerdem entwarf er die passende Verpackung – eine blecherne Keksdose – und deren Gestaltung. Heute lassen sich nur noch wenige dieser rechteckigen und in verschiedenen Größen erhältlichen Verpackungen auffinden. 24 cm in der Länge, 18 cm in der Breite und 8 cm Höhe misst die Dose und beinhaltete etwa zwei Pfund Friesenkekse. Sie ist praktisch, schützt gegen Staub, Feuchtigkeit und eignet sich in der Tat sehr gut zum Versand. Die liebevolle Illustration sorgte sicherlich in vielen Haushalten dazu, dass nach dem Verzehr der Kekse die Dose weiterhin mindestens als Andenkenobjekt im Haushalt einen Platz finden konnte.

Die Farben Meerblau gepaart mit einem Cremeweiß zieren die Schachtel. Die Unterseite und Randflächen werden von dem satten Blau großflächig dominiert, das durch das weiße Krakelee seine Bestimmung erhalten soll und somit an den feinen Wellenschaum der Nordsee erinnert. Auf dem Deckel dominiert das Logo von Wiedermann’s. „Versandhaus für Friesen – Keks“. Dort wurde es als gesetzlich geschützte Marke aufgedruckt und mit dem bekannten Heringsymbol sowie dem damit eng verbundenen nordfriesischen Spruch „Rüm Hart klar Kimming“ ergänzt. Irritierend wirken zunächst die Embleme an den Seiten, die auf die Goldene Medaille „Bäckerei & Konditorei Ausstellung 1892 Großherzogin Sophie von Sachsen“ verweisen. Diese lassen sich darauf zurückführen, dass Otto Wiedermann diese Auszeichnung für eine Leistung als Konditor während seiner Weimarer Zeit erhielt und sie im weiteren Verlauf verwendete.

Friesenkekse für unterwegs!

Ernst Wiedermann professionalisierte seinen Versand schnell. Stellte Konditoren ein und da er Künstler war, fiel es ihm auch nicht schwer, die Werbeplakate für die Friesenkekse zu entwerfen. Um den Verkauf noch zu verstärken, positionierte er „eine hübsche Verkäuferin in friesischer Tracht mit einem Tragladen“ am Westerländer Bahnhof, die den Abreisenden nicht nur „Friesenkekse für unterwegs!“ zurief, sondern diese den Passanten auch verkaufte.

Mit Bedenken versetzt. Ein Leben zwischen Capri und Sylt

Die hier vorgestellte Dose befand sich viele Jahre in einem Berliner Haushalt und erfüllte nach der Entnahme der Kekse die umweltfreundliche Funktion, weitere Lebensmittel im Küchenschrank zu beherbergen. Die Reise der Dose führte zunächst nach Freiburg, bevor sie 2017 die Sammlung der Sölring Museen erreichte und nun dauerhaft auf die spannende Geschichte der Wiedermann’s Friesen Kekse und der dazugehörigen Familiengeschichte verweist. Anlass genug über diese internationale Beziehung einer Sylter Familie zu berichten. In der Vortragsreihe des Freundeskreis Sölring Museen stellte Silke von Bremen im Sylter Museum die jüngst neu aufgelegte biografische Erzählung „Mit Bedenken versetzt“ von Claretta Cerio vor. Diese Erzählung gibt Einblicke in Tiefsinnigkeit und Humor von Claretta und einer bedeutsamen Sylter Familiengeschichte.

Inventarnummer: 2017-090
Datierung: um 1925
Material: Metall, Lack
Maße: 24x18x8 cm (lxbxh)
Technik: gestanzt, gebördelt, gelötet, lackiert
Hersteller: Lurecawerke Altona
Standort: Sölring Museen/Sylter Heimatmuseum, Depot

Nähmaschine

Nähmaschine

Nähmaschine um 1930

Revolutionäre Erfindung

Pfaff 30 – die Allesnäherin und Museumsobjekt des Monat Mai! Das ist die kleine Tisch-Nähmaschine, die sich ab Ende der 1920er Jahren in vielen Haushalten vorfand und treue Dienste verrichtete. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Handwerk bereits mehrfach und bedeutend gewandelt. Während bis 1830 das Nähen noch per Hand erfolgte, sorgte mit der einsetzenden Industrialisierung auch der Erfindergeist für die entsprechende Mechanisierung in dem Handwerk des Nähens. Im Jahre 1830 meldete der Franzose Thimmonnier das erste Patent für eine Nähmaschine an. Der Stein geriet ins Rollen – in Amerika und Westeuropa machten sich Mechaniker und geschäftstüchtige Hersteller daran, die Nähmaschine marktfähig zu gestalten. 1858 gelang Isaac Merrit Singer mit der „Singer 1“ der Durchbruch. Das Unternehmen Pfaff aus Rheinland-Pfalz brachte seine erste Nähmaschine bereits 1862 auf den Markt.

Mit dem Einsatz der Nähmaschine kam es durch den beschleunigten Nähprozess zu einer wesentlich höheren Arbeitsproduktivität. Bereits die Nähmaschine von Elias Howe – er gilt als Vater der Nähmaschine – leistete 300 Stiche pro Minute und übertraf damit in einem Wettbewerb fünf geübte Handnäherinnen. Ein schneller Schneider war in der Lage, mit 30 Stichen pro Minute die Nadel durch den Stoff zu ziehen. Bereits in den 1880er Jahren leistete die Maschine bis zu 3500 Stiche pro Minute.

Für Frauen des Kleinbürgertums war die Nähmaschine attraktiv, da sie nicht nur den eigenen Bedarf an Wäsche und Kleidung schneller herstellen konnten, sondern durch Heimarbeit auch zur Aufbesserung des Familienbudgets beitragen konnten. Diese Form des „Dazuverdienens“ wurde als standesgemäß akzeptiert. Alleinstehenden Frauen dieses Milieus bedeutete die Heimarbeit an der Nähmaschine – neben der Anstellung als Gesellschafterin – eine der wenigen Möglichkeiten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Gerade auch auf Sylt war der Bereich der Weiterverarbeitung der Wolle bzw. feinerem Garn ein wesentlicher Faktor.

In der historischen Aufnahme des für Sylt bedeutenden Amateur-Fotografen Bleicke Bleicken ist ein dem Museumsobjekt sehr ähnliches Modell von Pfaff zu sehen. Die am Tisch sitzenden drei Keitumer Frauen sind in ihre unterschiedlichen Nähtätigkeiten für Puppenkleidung vertieft. Gusseisern, schwer und massiv steht die Pfaff 30 in einem hölzernen Kasten, der nicht nur Nähutensilien aufbewahren kann, sondern auch ein praktisches Nadelkissen vorhält. Im Unterbau versteckt sich ein weiterer Teil der aufwendigen Technik.

Wird die Maschine aus dem Kasten geklappt erhält man Einblick in die aufwendige manuelle Technik, die durch den Unterbau sonst verborgen bleibt. Und noch etwas ist ungewohnt. Man meint sofort den Zeitgeist der industriellen Revolution noch riechen zu dürfen, die sich im heutigen elektronischen Zeitalter immer stärker aus den Privatstuben herauszieht. Vorwiegend dominiert der Geruch von Maschinenöl, der an die großen Werkhallen und große Dampfmaschinen denken lässt. Zeitgleich begeistert die einerseits klare und nachvollziehbar grobe Mechanik, die sich andererseits aber auch sehr feingliedert, um dann irgendwo in dem Inneren des 13 Kilogramm schweren gusseisernen Gehäuse verliert. Die Kurbel am Ende der Maschine lockt neugierig und verrät, dass damit das Drehrad und somit auch gleich die Mechanik der Maschine in Gang gesetzt werden kann. Sobald sich das Handrad dreht, lässt sich dieses unverkennbare dezente Tackern der Maschine wahrnehmen. Im unteren Bereich verrichten dann die fein abgestimmt und ausgeklügelten einzelnen Wellen ihre Tätigkeit und bringen den Unterfaden in seinen Takt. Im oberen Bereich nehmen Nähnadel und Stichplatte ihren Rhythmus auf. Und los geht es! Gleichzeitig befindet sich am hinteren Drehrad ein Spuler, der nach Bedarf zugeschaltet werden kann und das Garn auf die Spulen zieht.

Der Zeit geschuldet fällt die Gestaltung der Maschine bereits deutlich sachlicher aus, als dies noch Jahrzehnte zuvor der Fall war. Der goldene Fries auf der Bodenplatte und die goldenen Ornamentformen am Kurbelgehäuse verweisen noch auf die Wertigkeit der Maschine und den damaligen Zeitgeist. Diese optische Gestaltung und Ausformung reduzierte sich in den laufenden Jahren immer stärker bis hin zur Verwendung leichteren Materials und der Digitalisierung sowie Ökonomisierung. Inzwischen laufen hochkomplexe Computerprogramme im Hintergrund, die Stickereien und vorprogrammierten Nähschritte selbstständig umsetzen. Obwohl die Pfaff 30 technisch solide ist und technisch überzeugt, dient sie heute meist nur noch als Dekoration.

Inventarnummer: 2019-094
Datierung: um 1930
Material: Gusseisen, Holz, Eisenblech
Maße: 54 x 25 x 21 cm (inkl. Kiste)
Technik: gegossen, gehämmert, geprägt, gedreht 
Hersteller: Pfaff, Modell 30
Standort: Sölring Museen/Sylt Museum, Depot

Sahnelöffel

Sahnelöffel

Sahnelöffel, um 1800

Ein Wölkchen Sahne

Am Ende wird es immer wieder edel und festlich! An Weihnachten wird „aufgefahren“. Nicht nur mit Leckereien, sondern auch mit Porzellan, Silberbesteck und feinsten Getränken. Aber nicht der Champagnerkelch steht heute als Museumsobjekt auf dem „Tisch“, sondern mit dem Sahnelelöffel ein kleiner Akteur aus dem Reich der Teezeremonie. Neben der bereits im Januar vorgestellten Teekanne durfte dieser Löffel ebenfalls auf keiner feinen Teetafel fehlen. Ebenso edel gearbeitet und in Silber hat der Löffel eine genaue Funktion bei der Zeremonie. Doch zunächst interessiert die Kunst des Schmiedehandwerks. Die Meistermarke ICK verweist auf den Goldschmied Jacob Konrad Kröger. Dieser wurde 1754 bei Hamburg als Sohn eines Schlachters geboren und erlernte bei Möller in Hamburg die Goldschmiedekunst. Nach Husum kam er der Liebe wegen. Er heiratete 1785 die Witwe seines verstorbenen Kollegen Jonas Wernberg (1712-1784). Die Witwe wuchs bereits im Goldschmiedewerk auf, sie war das älteste Kind des Husumer Meisters Elias Köhn (1716-1778). Kröger heiratete 1807 erneut und war bis zu seinem Ableben 1836 in Husum mit seiner Werkstatt ansässig. Mit diesen Lebensdaten lässt sich die Datierung des Löffels lediglich eingrenzen, da Kröger die Jahreszahl nicht eingebracht hat und keine vergleichbaren Löffel herangezogen werden können.

Krögers Sahnelöffel kam nach Sylt. Der Löffel besitzt noch die alte runde und vergoldete Laffe, die mit einem kleinen Ausguss für den besseren Sahnelauf versehen ist. Im Gegensatz zu den ersten bekannten Sahnelöffel ist bei diesem Modell der angelötete Stiel bereits sichtbar länger und lanzettförmig. Eingearbeitet ist ein gestricheltes Ornament, das von einem punktierten und einem wellenförmigen Band begleitet wird. Rückwärtig ist ein Widerhaken an dem leicht gebogenen Stiel versehen. Dieser Widerhaken am Stiel hat den Vorteil, dass der Löffel in die Kumme eingetaucht werden kann, aber ein hineingleiten in die Sahne verhindert, da er am Rand gehalten wird. So konnte der Nutzerer die oben auf der Milch schwimmende Sahne abschöpfen. Hinter dem heute nicht mehr verwendeten Begriff Kumme verbirgt sich eine kleine tiefe Schüssel, wahlweise aus Holz oder Porzellan.

Sahnelöffel gab es erst ab dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts. Als ältester Löffel gilt derzeit noch ein Löffel, der dem niederländischen Hauptmeister Joh. van der Lely zugeordnet wird. Lely wurde 1695 Meister. Hingegen der ersten überlieferten Löffel aus schleswig-holsteinischen Museen, wie dem Flensburger Museumsberg, ist das Sylter Modell relativ schlicht gestaltet. Diese ersten Löffel sind niederländischen Ursprungs bzw. nach deren Vorbild sehr aufwendig gestaltet. Dabei ist die Laffe mit punktiertem und wulstigem Muster ausgeprägt. Der Stil übertrifft diesen Prunk mit weiteren reich ausgestalteten Ornamenten und Figuren.

Die Kunst des Teetrinkens

Wie trank man nun früher den feinen Schwarztee und wozu wurde ein Sahnelöffel benötigt? Fest steht, dass sich auch hier die Trinkgewohnheiten geändert haben. Nachdem der Tee zubereitet war und in die Tasse gefüllt wurde, war als nächstes das Zuckerstück eine Option. Auch dafür gab es samt Zuckerzange unterschiedlich ausgeprägte und aufwendige Behältnisse aus Silber und Porzellan. Nun bekommt der Sahnelöffel seinen kurzen Auftritt! Mit dem Löffel wird der gewünschte Tropfen Sahne nun vorsichtig am Tassenrand einflößt, um die Sahnewolke zu erhalten. Ob dann umgerührt wird oder nicht, auch hier ist der Wandel in der Trinkkultur zu spüren. Anfänglich wurde der Tee – wie übrigens auch der Kaffee – aus dem Koppchen in die relativ hohe Untertasse eingegossen und dann gerne schlürfend getrunken. Später dann direkt aus dem Koppchen – einer henkellosen Porzellantasse.

Zuletzt bleibt noch ein kleiner Hinweis auf dem ca. 17 cm langen Löffel zu erwähnen. In das spitz auslaufende Stielende ist der Buchstabe „B“ graviert. Der Löffel stammt aus dem Haus Rantum Inge in Rantum, das im Besitz der Familie Nissen ist. Bis weit in das 17. Jahrhundert lassen sich die Wurzeln der Familie Nissen zurückverfolgen.

Mehr über die Besonderheiten dieser Familie und des Hofes an einer anderen Stelle. Bis dahin heißt es: abwarten und Tee trinken.

Inventarnummer:
Datierung: um 1800
Material: Wolle, Papier
Maße: 17×5,5×4,5 cm (hxd)
Technik: getrieben, graviert, gelötet, gepresst
Hersteller: ICK
Standort: Sölring Museen/Sylt Museum, Depot