Mangelbrett

Mangelbrett

Mangelbrett 949 2560 Sölring Museen Sylt
Mangelbrett

September 2018

Bügeln in den Anfängen

Die ältesten in Schleswig-Holstein bekannten Mangelbretter sind aus dem 16. Jahrhundert. Wobei davon nur zwei bekannt sind. Die Sammlung der Sölring Museen vereint insgesamt über neunzehn Mangelbretter, die äußerst verschieden gestaltet sind und die aus unterschiedlichen Zeiträumen stammen. Das älteste Brett ist von 1700. Das nicht farblich gefasste Museumsobjekt des Monats September wird durch eine Reliefschnitzerei auf 1731 datiert. Zudem erfährt der Betrachter aus durch die Schnitzelemente, dass es einer Person mit den Initialen „IBMM“ gehörte. Denkbar ist, dass der letzte Buchstabe auch die Ortsangabe bedeutet. Sollte das Brett ursprünglich von Sylt stammen, wäre es möglich, dass die Besitzerin in Morsum ihr Leinen mangelte.

In Kombination mit einem sogenannten Rollholz wurde hiermit Leinenwäsche geglättet. Zum Mangeln wurde die leicht befeuchtete Wäsche zur Schonung in ein weiteres Tuch gehüllt und fest um die Mangelrolle gewickelt. Mit dem Mangelbrett wurde diese Rolle dann mit Druck hin- und her gerollt, wodurch das Wäschestück geglättet wurde. Zum Glätten von Leibwäsche und Wollstoffen dienten die verschiedensten Plätt- oder auch Bügeleisen, die ab dem 15. Jahrhundert belegt sind. Und daher kommt dann auch die Redewendung: Jemanden in die Mangel nehmen bzw. unter Druck setzen.

Im Grunde ist das Objekt zunächst nur ein Holzbrett mit Griff. Dass sich hinter diesem Museumsobjekt aber mehr verstecken muss, verrät schon das prachtvolle Dekor. Das 65 cm lange Eichenbrett ist mit floraler Schnitzerei bedeckt. Besonders auffällig ist der gerundete Griff, der in Form eines Fabelwesens gearbeitet ist. Der eingelassene Griff ist im unteren Teil des Brettes angesiedelt und nimmt mit 28 cm fast die Hälfte der Brettlänge ein. Es handelt sich bei der Schnitzerei um ein Meerweibchen mit Fischschwanz. Die Handgriffe in der Form von Elfen und Meerweibchen erfreuten sich an allen schleswig – holsteinischen Küsten ab der Mitte des 17. Jahrhunderts. Die Fischleiber sind mit menschlichem Antlitz geschnitzt und formschön. Der vorliegende Griff zählt dabei zu einer einfacheren Art der Meerweibchengriffe. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass die Schulterblätter in den vorderen Griffsockel einmünden. Gleichzeitig sind die Leiber schwungvoll und üppig gestaltet, die Gesichter aber ausdruckslos. Vergleichende Objekte gibt es von Sylt bis in die Kremper Marsch zu entdecken. In der Wilstermarsch haben die Schnitzer diese Art der Griffe am kunstvollsten gestaltet. Die Schulterblätter der Meerweibchen ruhen auf einem Sockel aus Blattwerk. Die Leiber und das Antlitz der Meerweibchen beeindrucken zudem durch ihre detaillierte und perfekte Schnitzerei und erheben diese Mangelbretter zu Meisterwerken der Schnitzkunst. Diese prachtvolle Schnitzerei lässt sich jedoch nicht nur an den Griffen ausmachen. Farblich gefasst und mit in vielfältigen Formen sind diese Bretter vorzufinden. Anders als bei dem Objekt des Monats, das gerade endet, gibt es auch Bretter, die eine Bekrönung vorweisen. Rosette, Vogel, Herz, ein pflanzliches Motiv oder ein Fantasiethema finden sich dann an den Enden geschnitzt.

Sehr reich verzierte Mangelbretter wurden allerdings kaum zum Plätten der Wäsche benutzt. Vielmehr handelt es sich bei Ihnen um Liebesgaben und Brautgeschenke. Hergestellt wurden sie entweder von einem Tischler oder aber vom zukünftigen Ehemann, einem Bruder oder dem Vater der Braut.

Liebesgaben stammen aus dem ländlichen Brauchtum zur Verlobung- und Hochzeit. Es handelt sich um Gegenstände mit einem gewissen Symbolwert, die als Beleg und Zeugnis der Vermählung dienen. Der Gabentausch zwischen den zukünftigen Eheleuten galt dabei als rechtlich bindend. Daneben gab es weitere in der Öffentlichkeit stattfindende Bräuche, wie beispielsweise ein Hochzeitsumzug, der für Legitimation und Anerkennung der Ehe in der Dorfgemeinschaft sorgte. In der Stadt wurde diese Funktion oft schon durch amtliche Schriftstücke übernommen.

Bei den Liebesgaben handelt es sich um besonders verzierte Gegenstände des täglichen Gebrauchs. Üblich sind Löffel, Mangelbretter, Haubenschachteln, aber auch Möbel und Geschirr. Dabei treten bestimmte Motive immer wieder auf: ein symbolisches Ehepaar, Herzen, verschränkte Hände oder das Datum der Hochzeit. Darüber hinaus wurden auch Sinnsprüche oder Gedichte auf die Liebesgaben gemalt, geschnitzt oder gestickt. Nach der Hochzeit bekamen die Liebesgaben einen herausgehobenen Standort im gemeinsamen Heim der Frischvermählten und zeugten so dauerhaft von der Legitimität der Ehe.

Das vorgestellte Mangelbrett kann Geschichten erzählen. Wurmstichig und an den Ecken und Profilierungen bereits deutlich gezeichnet, bildet es trotzdem ein besonderes Stück unter den zahlreichen und in unzählbaren Varianten vorkommenden Mangelbretter. Im Altfriesischen Haus finden sich weitere Modelle zum Bestaunen.

Inventarnummer: 2011-236
Datierung: um 1731-
Material: Eichenholz
Maße: 65x18x10 cm (lxbxh)
Technik: geschnitzt, gesteckt
Hersteller: unbekannt
Standort: Sölring Museen/Sylt Museum, Depot

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