Lichtstockhalter aus dem 19. Jahrhundert
Oktober 2016
Der Lichtstockhalter – äußerst sparsam und durchdacht!
Zu einfach ist es – wird es dunkel, gelingt es uns heute im Handumdrehen über künstliche Lichtquellen wieder für bestmöglichste Lichtverhältnisse zu sorgen. Bis vor rund einhundert Jahren waren die Menschen in der dunklen Jahreszeit vorwiegend auf Kerzenlicht angewiesen. Das Objekt des Monats, der Lichtstockhalter und der dazugehörige Lichtputzer, erwiesen sich dabei als äußerst praktische Helfer.
Auf den aus Messing gearbeiteten Halter wird der aufgerollte Kerzenstrang mithilfe einer Stange fixiert. Im oberen Bereich muss der Dochtstrang in die kunstvoll ausgearbeitete Schere eingespannt werden. Ist die vorgegebene Kerzenlänge abgebrannt, schnappt die Schere zu, so dass das Feuer erlischt und nicht nach unten weiterbrennen kann. Fand man nun Abends bei Kerzenschein den Weg ins Bett und schlief ein, löschte kurz darauf diese Technik fast gefahrlos die Feuerflamme.
Ist der Kerzenstrang komplett verbrannt, wird die obere Schraube, die in Form einer Ente gestaltet ist, gelöst. Erst dann kann die Schere abgenommen werden und ein neuer Wachsstock findet wieder Platz.
Das Herstellen eines Wachsstockes zählte früher zu den schwierigsten Arbeiten von Lichtziehern, so die ursprüngliche Berufsbezeichnung von Kerzenherstellern. Einerseits musste ein von Hand mit verschieden starken Fäden gespannter Docht erzeugt werden. Gleichzeitig war der eigentliche Vorgang des Wachsziehens die große Herausforderung. Bis eine fast endlose und gleichmäßige Wachskerze entstand, musste der Docht in mehreren Durchläufen mit Hilfe zweier Trommeln durch ein Wachsbad sowie ein Zieheisen gezogen werden. Das Zieheisen gewährte die Gleichmäßigkeit der Kerze. Wurde der Raum und das Wachs falsch temperiert oder an der Trommel zu schnell gezogen, konnte es gut sein, dass die Kerze missglückte.
Lichtstockhalter mit Spange und Feststellschrabaube Flatterbinsen, Baumwolldocht und KerzenrußMit dem Import der Baumwolle wurde diese verstärkt neben dem heimischen Flatterbinsen und Leinen als Docht eingesetzt. Allerdings verbrannten die gezwirnten Fäden aus gebleichtem Garn nicht und sorgten schnell für ein trübes Licht und große Rußentwicklung, so dass der dicke Docht laufend mit Putzscheren nach geschnitten werden musste.
Für diese Tätigkeit wurde seit dem 16. Jahrhundert die Lichtputz- bzw. Dochtschere genutzt. In schlichter Scherenform oder detailreich und aufwendig gestaltet, präsentiert sie sich noch heute vereinzelt in Sammlungen. Die zum Objekt des Monats dazugehörige Dochtschere wurde ebenfalls aus Messing hergestellt und ist bis ins kleinste Detail durchdacht. Auf dem unteren Scherenblatt wurde der halbrunde Dochtkasten angelötet – als Pendant am oberen Scherenblatt der hochstehende Verschluss. Der Dochtkasten hat den Vorteil, dass beim „schnäuzen“ das Dochtende aufgefangen wird und nicht auf die Tischdecke herabfällt.
Durch die stetige Weiterentwicklung des verflochtenen Baumwolldochtes erübrigt sich heutzutage dieser Prozess.
Schluss mit der Flirterei!
Dem „Keitumer“ Wachsstockhalter eilt zudem der Ruf als „Verlobungskerze“ voraus. Diese liebenswerte Anekdote erzählt, wie die feinsinnige Technik sich auch in anderen Alltagsbereichen als „nützlich“ erwies. Denn, die Kerzenlänge bestimmte in diesem Falle die Dauer des Rendezvous. Der höfliche Verlobte verabschiedete sich, sobald die Schere zuschnappte.