Teekanne aus Silber von 1810, gefertigt in Tondern von Goldschmied Paul Hansen
Januar 2018
„Ob ich morgen leben werde, weiß ich freilich nicht. Aber daß ich, wenn ich morgen lebe, Tee trinken werde, weiß ich gewiß.“
Der Dichter aus der Zeit der Aufklärung muss es wissen – Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) schätzte den zarten blumigen Geschmack der feinen Blätter. Im Verhältnis gesehen kannten die Europäer zu Lessings Zeit Teepflanze noch nicht allzu lange. 1610 erst gelangte eine Sendung von Grünem Tee durch die niederländische Ostindien-Company in die Niederlande. Die Niederländer hatten zu diesem Zeitpunkt das europäische Monopol für den Teehandel und achteten darauf, dass ab 1637 kein holländisches Handelsschiff das heutige Jakarta ohne ausreichend Kisten chinesischen und japanischen Tees an Bord verließ. Das war eine gute Tat und fiel in die Zeit, als die Sylter begannen, mit dem Walfang ihr Einkommen zu bestreiten. Das Museumsobjekt des Monats zeigt, welche Wertschätzung dem Tee entgegengebracht wurde. Das zelebrieren der Teekultur drückt sich nicht nur in der Wahl der richtigen Teesorte und des Zubereitens aus, sondern benötigt im Grunde auch die feinsten und kunstvollsten Gefäße aus Porzellan und Silber. Was für ein eleganter Auftritt! Beim Anblick der Kanne fühlt man sich geradezu aufgefordert, einen der feinsten Darjeeling Tees daraus zu genießen. In voller Gänze misst die Kanne 14,5 cm Höhe, wobei davon schon fünf cm dem scharnierten Deckel samt Knauf zugerechnet werden müssen. Der tropfenförmige Knauf und der kantige D-Henkel sind aus dunklem Ebenholz gearbeitet. Der verjüngende Aufbau des Deckels und die an eine Balustrade erinnernde Begrenzung erinnern sehr stark an eine Architektur. Betrachtet man diese Abgrenzung genauer, so lassen sich ansatzweise die wiederkehrenden Formen zweier filigran gestalteten Figuren erkennen. Im abwechselnden Rhythmus tauchen in vier gleichgroßen Feldern immer wieder Frau und Mann auf. Das aufwendig gestaltete Muster und die Gestaltung wiederholen sich auf dem dazugehörigen Silbertablett.
Die weitgehend schlichte ovale Form des Korpus und der gerade lange Ausguss der Kanne deuten auf einen Stileinfluss des Klassizismus hin. Überhaupt, die Gestaltung des Details lädt zum Entdecken ein. Der Goldschmiedemeister versteht sein Handwerk und hat sichtlich Freude daran. Die vielfältigen Verzierungen durch pflanzliche Motive treten erhaben, das heißt reliefförmig hervor. Das gewissermaßen zeichnerische Dekor entsteht durch die Bearbeitung der Oberfläche mit Ziselierstift, Stahlstichel, Punziereisen oder Ätzen durch Säure. Beim Ziselieren gräbt der Kunsthandwerker mit kleinen Meiseln und Stiften frei oder nach einer gezeichneten Dekorvorlage, die Verzierungen in die Oberfläche des Silbers ein. Die Ziselierarbeit mit dem Stahlstichel nennt sich Gravur. Dekorativ wird der Korpus von oben und unten durch die rundumlaufende Kannelierung begrenzt. Die Schauseiten zeigen ein großflächiges Dekor. Jeweils ein rechteckiges, mit eingezogenen Ecken graviertes Fries bildet den Rahmen für die innenliegende Gravur. Mittig befindet sich ein leicht oval angeordneter Blätterkranz. Scheinbar ist ein Kranz davon der Rose mit ihren Knospen gewidmet. Die Inschrift lautet: „den 14ten Januar 1810“. Gegenüberliegend ist ein Eichenkranz um die Inschrift Liebe und Freundschaft graviert. Auf dem Kannenboden sind 13 Initialien aufgeführt, die Hinweise auf die Besitzer geben. Gleichermaßen finden sich dort die Beschauzeichen – die Punzen. Diese kleinen eingeschlagenen Stempel geben Auskunft über die Werkstatt und den Meister und lassen somit das Werkstück sowohl zeitlich als auch räumlich einordnen. Der eingeschlagene Dreimaster verweist auf die tondernsche Goldschmiede. Die Gewerke Tonderns erhielten am 24. Juni 1593 durch den Herzog Johann Adolf „die Erlaubnis zur Bildung einer Schützengilde“ Dies hatte unter anderem den Vorteil, dass im weiteren Verlauf fremde Handwerker der Gilde fünf Taler bezahlen mussten. Die Punze „PH“ nennt den Goldschmiedemeister Paul Hansen aus Tondern. Um dies zu bestimmen, gibt es spezielle Nachschlagewerke, die alle Punzen zusammengefasst haben.
Während die heutige moderne Technik schon die Teekapselmaschine erfunden hat und somit das Zubereiten eines Tees revolutionierte, darf bei der Museumskanne noch alles auf konventionelle -vielleicht auch auf romantische Art – betrieben werden. Daher fehlt noch ein wesentliches Teil der Kanne. Das eierförmige Sieb, das mit einer Klemmfeder im Ausguss befestigt wird. Der obere Rand ist durch ein rundumlaufendes Punktrelief gestaltet und wird unterhalb an vier Stellen für die Aufnahme der Erbskette durchbrochen. Die Ketten sind über einen Drahthenkelbügel verbunden, so dass mittels der Klemmfeder das Sieb direkt am Ausguss hängt und das Teeblatt beim Ausgießen auffangen kann. Die Laffe, damit ist beim Teesieb die Auffangschale gemeint, ist punktförmig durchbrochen. Von außen ist jeweils an den Enden eine Ziselur zu sehen. Auf der einen Seite „S.F. d 24 t Juli 1818“ und auf der anderen ein junges Paar, welches sich verträumt an den Händen hält bzw. in der anderen Hand eine Blättergirlande. Vermutlich ein Rendezvous! So soll es sein und so bereitet auch das Teetrinken Freude. Die Teekanne ist im Sylter Heimatmuseum in der Vitrine zu finden, die sich direkt zur Sonderausstellungsfläche befindet. Dort können Sie bis zum 24. Juni noch zahlreiche weitere Rendezvous! entdecken und im Anschluss lässt sich in der Nachbarschaft die hervorragende Teeauswahl mit Blick aufs Wattenmeer gen Tondern genießen.