Nähmaschine

Nähmaschine

Nähmaschine 815 583 Sölring Museen Sylt
Nähmaschine um 1930

Mai 2019

Revolutionäre Erfindung

Pfaff 30 – die Allesnäherin und Museumsobjekt des Monat Mai! Das ist die kleine Tisch-Nähmaschine, die sich ab Ende der 1920er Jahren in vielen Haushalten vorfand und treue Dienste verrichtete. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Handwerk bereits mehrfach und bedeutend gewandelt. Während bis 1830 das Nähen noch per Hand erfolgte, sorgte mit der einsetzenden Industrialisierung auch der Erfindergeist für die entsprechende Mechanisierung in dem Handwerk des Nähens. Im Jahre 1830 meldete der Franzose Thimmonnier das erste Patent für eine Nähmaschine an. Der Stein geriet ins Rollen – in Amerika und Westeuropa machten sich Mechaniker und geschäftstüchtige Hersteller daran, die Nähmaschine marktfähig zu gestalten. 1858 gelang Isaac Merrit Singer mit der „Singer 1“ der Durchbruch. Das Unternehmen Pfaff aus Rheinland-Pfalz brachte seine erste Nähmaschine bereits 1862 auf den Markt.

Mit dem Einsatz der Nähmaschine kam es durch den beschleunigten Nähprozess zu einer wesentlich höheren Arbeitsproduktivität. Bereits die Nähmaschine von Elias Howe – er gilt als Vater der Nähmaschine – leistete 300 Stiche pro Minute und übertraf damit in einem Wettbewerb fünf geübte Handnäherinnen. Ein schneller Schneider war in der Lage, mit 30 Stichen pro Minute die Nadel durch den Stoff zu ziehen. Bereits in den 1880er Jahren leistete die Maschine bis zu 3500 Stiche pro Minute.

Für Frauen des Kleinbürgertums war die Nähmaschine attraktiv, da sie nicht nur den eigenen Bedarf an Wäsche und Kleidung schneller herstellen konnten, sondern durch Heimarbeit auch zur Aufbesserung des Familienbudgets beitragen konnten. Diese Form des „Dazuverdienens“ wurde als standesgemäß akzeptiert. Alleinstehenden Frauen dieses Milieus bedeutete die Heimarbeit an der Nähmaschine – neben der Anstellung als Gesellschafterin – eine der wenigen Möglichkeiten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Gerade auch auf Sylt war der Bereich der Weiterverarbeitung der Wolle bzw. feinerem Garn ein wesentlicher Faktor.

In der historischen Aufnahme des für Sylt bedeutenden Amateur-Fotografen Bleicke Bleicken ist ein dem Museumsobjekt sehr ähnliches Modell von Pfaff zu sehen. Die am Tisch sitzenden drei Keitumer Frauen sind in ihre unterschiedlichen Nähtätigkeiten für Puppenkleidung vertieft. Gusseisern, schwer und massiv steht die Pfaff 30 in einem hölzernen Kasten, der nicht nur Nähutensilien aufbewahren kann, sondern auch ein praktisches Nadelkissen vorhält. Im Unterbau versteckt sich ein weiterer Teil der aufwendigen Technik. Wird die Maschine aus dem Kasten geklappt erhält man Einblick in die aufwendige manuelle Technik, die durch den Unterbau sonst verborgen bleibt. Und noch etwas ist ungewohnt. Man meint sofort den Zeitgeist der industriellen Revolution noch riechen zu dürfen, die sich im heutigen elektronischen Zeitalter immer stärker aus den Privatstuben herauszieht. Vorwiegend dominiert der Geruch von Maschinenöl, der an die großen Werkhallen und große Dampfmaschinen denken lässt. Zeitgleich begeistert die einerseits klare und nachvollziehbar grobe Mechanik, die sich andererseits aber auch sehr feingliedert, um dann irgendwo in dem Inneren des 13 Kilogramm schweren gusseisernen Gehäuse verliert. Die Kurbel am Ende der Maschine lockt neugierig und verrät, dass damit das Drehrad und somit auch gleich die Mechanik der Maschine in Gang gesetzt werden kann. Sobald sich das Handrad dreht, lässt sich dieses unverkennbare dezente Tackern der Maschine wahrnehmen. Im unteren Bereich verrichten dann die fein abgestimmt und ausgeklügelten einzelnen Wellen ihre Tätigkeit und bringen den Unterfaden in seinen Takt. Im oberen Bereich nehmen Nähnadel und Stichplatte ihren Rhythmus auf. Und los geht es! Gleichzeitig befindet sich am hinteren Drehrad ein Spuler, der nach Bedarf zugeschaltet werden kann und das Garn auf die Spulen zieht.

Der Zeit geschuldet fällt die Gestaltung der Maschine bereits deutlich sachlicher aus, als dies noch Jahrzehnte zuvor der Fall war. Der goldene Fries auf der Bodenplatte und die goldenen Ornamentformen am Kurbelgehäuse verweisen noch auf die Wertigkeit der Maschine und den damaligen Zeitgeist. Diese optische Gestaltung und Ausformung reduzierte sich in den laufenden Jahren immer stärker bis hin zur Verwendung leichteren Materials und der Digitalisierung sowie Ökonomisierung. Inzwischen laufen hochkomplexe Computerprogramme im Hintergrund, die Stickereien und vorprogrammierten Nähschritte selbstständig umsetzen. Obwohl die Pfaff 30 technisch solide ist und technisch überzeugt, dient sie heute meist nur noch als Dekoration.

Inventarnummer: 2019-094
Datierung: um 1930
Material: Gusseisen, Holz, Eisenblech
Maße: 54 x 25 x 21 cm (inkl. Kiste)
Technik: gegossen, gehämmert, geprägt, gedreht 
Hersteller: Pfaff, Modell 30
Standort: Sölring Museen/Sylt Museum, Depot

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